Der Weg vom Korn zum Alkohol - Vol. II: Die Gärung

Wasser, Malz und … Hefe! 

Das Rezept für Whisky ist einfach. Man erhitzt eine Mischung aus Wasser und gemälzter Gerste. Durch anschließende Zugabe von Hefe entsteht Alkohol. Dieser wird im nächsten Schritt durch mehrfache Destillation vom Wasser getrennt und somit im Destillat angereichert. Der hochprozentige Getreidebrand wird nun für mehrere Jahre in Fässern gelagert, was ihm einen angenehm harmonischen Charakter verleiht. 

Wer sich ein bisschen mit Whisky beschäftigt, der hört immer wieder, dass die Lagerung im Fass den Großteil des Geschmacks ausmacht. Das ist auch komplett richtig. Vor allem frische Fässer, oder solche, welche bereits mit Sherry oder anderem Wein befüllt waren, geben einen sehr intensiven Geschmack an das darin befindliche Destillat ab. Doch kostet man einmal sogenannten New Make (ungelagerter Malzbrand) einer Brennerei, stellt man fest, dass bereits dieser eine Vielzahl verschiedener Aromen beherbergt. Oft sind es frische, grüne und blumige Aromen, Noten von Getreide und eine knackige Schärfe, welche den jungen Getreidebrand prägen.

(c) Whisky and Molecules


In ersten Teil dieses Beitrags "Der Weg vom Korn zum Alkohol" ging es um die Prozesse beim Mälzen und Maischen des Getreides. Im heutigen Artikel, Teil Zwei, geht es um die bei der Gärung ablaufenden Prozesse: Die Arbeit der Hefen.

Die Herstellung von alkoholischen Getränken aus Zuckerhaltigen Ausgangsstoffen ist die älteste aller Biotechnologien. Hefe spielt eine wichtige Rolle bei der Produktion aller alkoholischen Getränke und die Auswahl geeigneter Hefestämme ist nicht nur für eine maximale Alkoholausbeute unerlässlich, sie bestimmt auch die sensorische Eigenschaften und die Qualität der Getränke.

Die Fermentation 

Bei der Herstellung von Whisky wird der Hefe oftmals nur die Aufgabe der Alkoholproduktion zugeschrieben. Doch ähnlich wie bei der Herstellung von Bier und Wein, besitzt die Hefe auch einen entscheidenden Einfluss auf die Aromen im entstehenden Destillat. 

Nach der Maischeherstellung wird der Malzsud auf ca. 15 - 25 °C abgekühlt und anschließend mit Hefe versetzt. Abhängig von der Brennerei, wird nun 48 – 110 Stunden lang fermentiert[1]. Eine vergleichsweise kurze Zeit, vergleicht man die Fermentationsdauer mit Wein oder Bier, welche oft mehrere Wochen oder gar Monate fermentieren. 

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Hefen. Bei der Bierproduktion unterscheidet man aus diesem Grund unter anderem zwischen obergärigen Hefen (engl.: Ale yeast) welche z.B. für die Herstellung von Weißbier oder Ale genutzt wird und untergärigen Hefen (engl.: Lager yeast) welche beispielsweise für Biere der Kategorie Lager oder Pils genutzt wird. Erstere, die obergärigen Hefen, welche während der Gärung auf der Oberfläche arbeiten, bilden vor allem fruchtige Aromen. Die untergärigen Hefen, welche diesen Namen aufgrund der Tatsache bekamen, dass sie während der Gärung in der Maische nach unten absinken, produzieren deutlich weniger dieser Aromen und die Biere sind deutlich herber und vom Hopfen bestimmt. Auch für Weine nutzt man verschiedene Hefestämme. Selten werden Wildhefen genutzt, üblicher ist der Gebrauch von Reinzuchthefen. Je nach Traubensorte, Zuckergehalt und gewünschter Aromen, gibt es darauf abgestimmte Hefen. Gebräuchliche Hefesorten sind Hefen der Art Burgund, Portwein, Sherry, Bordeaux und Malaga. Die Hefen werden üblicherweise in gepresster, flüssiger oder trockener Form angeboten. 

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Abbildung: Verschiedene Hefeformen: (v.l.n.r.) gepresste Hefebrocken, flüssige Hefe-Suspension und Trockenhefe.

Die Auswahl einer geeigneten Hefe ist für jede Brennerei sehr wichtig. Traditionell wurde früher wenig über die Hefeauswahl nachgedacht. Es war üblich Hefestämme regionaler Brauereien zu nutzen. Diese waren bereits in der näheren Umgebung vorhanden und aufgrund der Verwendung zur Bierproduktion auch sehr günstig zu erwerben. Im Laufe der Zeit und mit dem Beginn der wissenschaftlichen Forschung zum Thema Whisky, wurde mehr über die genauen Abläufe und die Funktion der Hefen gelernt. So wurden neue Züchtungen entwickelt, welche deutlich mehr und zudem auch noch viel schneller Alkohol produzieren.[2]

Eigenschaften die für eine zur Destillation bestimmte Hefekultur benötigt werden, sind zum einen eine schnelle und effektive Alkoholproduktion. Zum anderen sollen die Hefen eine hohe Toleranz gegenüber des osmotischen Drucks und der Temperatur besitzen.[3] Des Weiteren dürfen sie keinen starken Eigengeschmack an die Maische abgeben. Der bei Backwaren typische Hefegeschmack, ist bei Destillaten unerwünscht. Früher wurden üblicherweise Bierhefen für die Whiskyproduktion genutzt. Heute kommen vorwiegend Brennhefen oder Mischungen aus beiden Sorten zum Einsatz. Brennhefen vergären im Gegensatz zu Bierhefen deutlich schneller. Gängige, in Schottland genutzte Brennhefen, sind die Hefen „M“ und „MX“ von Kerry Inc. [4]; die „Pinnacle“-Hefe von ABMauri [5] und „DistillMax“ von Lallemand[6,7].

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Der Hauptprozess der Fermentation ist die Produktion von Alkohol (Ethanol). Hefen nutzen in der Maische gelöste Zucker (Maltose) zur Herstellung von ATP, dem zellulären Energieträger. Als Stoffwechselprodukte entstehen hierbei Kohlenstoffdioxid (CO2) und Ethanol - unser heiß geliebter Alkohol. Allerdings produzieren die Hefen auch zahlreiche Nebenprodukte, sog. Sekundärmetaboliten. Diese sind sehr wichtig um die endgültigen Geschmacks- und Aromaeigenschaften von Bier, Wein und auch von destillierten Getränken wie Whisky, Rum oder Branntwein zu bestimmen. Aus diesem Grund sind Hefen nicht nur für die Menge an Alkohol, sondern auch für die sensorischen Eigenschaften des entstehenden Getränks von entscheidender Bedeutung. 

Hauptprodukt: Alkohol 

Während der Gärung arbeiten die Hefen unter Sauerstoffmangel (anaerob). Hierbei wird der in der Maische vorhandene Zucker (z.B. Maltose) als Kohlenstoffquelle genutzt um die Hefe mit Energie für das Wachstum zu versorgen. Dabei wandelt sie im ersten Schritt, der sogenannten Glykolyse, den Zucker in einen Stoff um, welcher Pyruvat genannt wird. In diesem Schritt gewinnt die Hefe Energie in Form des zellulären Energieträgers ATP (Adenosintriphosphat). 

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Im nächsten Schritt wird das gebildete Pyruvat durch Enzyme zunächst in das für die Zelle sehr giftige Acetaldehyd umgewandelt, wobei CO2 entsteht. Dieser Schritt wird durch das Enzym "Pyruvatdecarboxylase" katalysiert.

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Durch weitere enzymatische Umsetzung wird der Stoff Acetaldehyd sehr schnell umgewandelt und es entsteht Ethanol. Dieser Prozess läuft solang ab, bis aller Zucker in der Maische aufgebraucht ist, oder die Hefezellen aufgrund äußerer Einflüsse absterben. Zum Absterben der Zellen kommt es beispielsweise bei zu hohen Temperaturen oder durch zu hohe Alkoholkonzentrationen am Ende der Gärung. Denn Alkohol ist, obwohl die Hefe es selbst bildet, auch für sie giftig und in hoher Konzentration tödlich. 

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Aus einem Kilogramm Zucker können (rein theoretisch) 511 g Alkohol und 489 g Kohlenstoffdioxid hergestellt werden. Die besten bisher bekannten Hefen erzeugen allerdings nur ca. 90 % der möglichen Menge Alkohol. Denn in der Praxis läuft diese Reaktion nie vollständig ab und es entstehen verschiedene Nebenprodukte.

Nebenprodukte: Geschmack 

Sekundäre Gärprodukte umfassen vor allem höhere Alkohole, Ester, Säuren und Ketone. Obwohl diese Verbindungen in sehr viel geringeren Mengen produziert werden als Alkohol, sind sie wichtige geschmacksgebende Verbindungen in fermentierten (und destillierten) Getränken. Je nachdem was für eine Hefesorte für die Fermentation eingesetzt wird, können andere bzw. unterschiedlich viel von den einzelnen Nebenprodukten entstehen.  Nachfolgende Tabelle zeigt unterschiedliche Nebenprodukte und welche Eigenschaft diese im entstehenden Destillat besitzen.

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Für die Herstellung von Bier und Wein ist die Wahl der Hefen von entscheidender Bedeutung. Je nachdem welche Hefen genutzt werden, kann gesteuert werden, welche Aromen entstehen. Sicard et al. berichten von über 650 isolierten Hefestämmen, wobei ein Großteil dieser in die Kategorie der Wein- und Ciderhefen eingeordnet werden.[8] Eine zweite Kategorie sind die Bierhefen. Außerdem gibt es unterschiedliche Rum-, Back- und Sakehefen. Ein Großteil davon sind Züchtungen der Art Saccharomyces cerevisiae, allgemein auch bekannt als Back- oder Bierhefe. 

Jede dieser vielfältigen Hefearten bringt ein unterschiedliches Aromenprofil in die vergorene Maische, das Bier oder den Wein. Viele Brauereien und Winzer haben eigene, über Jahrzehnte gezüchtete Hefestämme und machen ein großes Geheimnis, denn diese Hefestämme sind es, die dem Bier oder dem Wein, den typischen Geschmack gibt. Vor allem höhere Alkohole und organische Säuren sind es, die besondere Aromen hervorbringen. Im Verlauf der Gärung und Lagerung entstehen wohlschmeckende Ester, mit verschiedenen Fruchtaromen. Der bekannteste unter ihnen ist der Isoamylester mit dem für Weißbiere typischen Bananen-Geruch.[9] 

Zusammenfassung

Da sich Whisky immer größerer Beliebtheit unter Genießern und Sammlern erfreut, schießen die Verkaufszahlen und damit verbunden auch die Verkaufspreise in die Höhe und ähnlich zur Craft-Beer Szene entstehen kleine, neue Brennereien. Viele versuchen aus der Masse herauszustechen und bieten dem Kunden eine Vielzahl an Informationen zu Ihrem Produkt. Waterford beispielsweise versucht mit seinem Terroir-Prinzip den geographischen Charakter der angebauten Gerste abzufüllen und gibt neben Erntezeitpunkt auch den genauen Anbauort der Gerste an. Ein anderes Beispiel ist Ailsa Bay, welche nicht wie sonst üblich den Phenolgehalt in ppm des verwendeten Malzes angeben, sondern das selbst erzeugte Destillat untersuchen und neben Phenolbestandteilen auch die "Sweets", die süßen Bestandteile mit auf das Etikett schreiben.

Die Informationsfülle nimmt zu. Einzig auf der Seite der verwendeten Hefestämme herrscht großes Schweigen. Ob die Brennereien selbst ein wohlbehütetes Geheimnis pflegen oder den Einfluss der Hefen als zu gering und deshalb minder wichtig schätzen, sei dahingestellt. Die Hefe wird üblicherweise nach dem Gesichtspunkt ausgewählt, viel Alkohol zu produzieren. Interessant wäre es auf jeden Fall, den Einfluss verschiedener Hefen zu untersuchen und vor allem zu schmecken. Was bereits bei Bier und Wein funktioniert, wird sicher auch dem Whisky gut stehen.

Denn Hefen stellen neben Ethanol eine Vielzahl anderer Verbindungen her, welche für den sensorischen Charakter des fertigen Destillats von großer Bedeutung sind. Vor allem Verbindungen wie die von Hefen gebildeten Ester und Säuren besitzten intensive Geruchseigenschaften. Allerdings können Hefen auch deutliche Fehlnoten produzieren, unter falschen Bedingungen werden von den Zellen Schwefelverbindungen abgegeben. Diese Verbindungen können unangenehm bis sehr stark ekelerregend riechen.

Hefe ist allgegenwärtig - ein Leben ohne sie wäre nicht vorstellbar. Nicht nur für die Produktion von Bier, Wein und Destillaten werden sie eingesetzt. Von Brot und Brötchen über Sauerkraut zu Milchprodukten wie Kefir und Ayran - Hefen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Hoffen wir, dass ihr diese bedeutung auch im Whiskymarketing zuteilwird. Ein bisschen mehr Transparanz für Whiskynerd - Ich würd's gut finden!

Whisky and Molecules

 

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Abbildung: Gepresste Hefeblöcke.

Referenzen:

[1] Wanikawa, A. (2020). Flavors in Malt Whisky: A Review. Journal of the American Society of Brewing Chemists, 78(4), 260-278.

[2] Stewart, G. G., Hill, A. E., & Russell, I. (2013). 125th anniversary review: developments in brewing and distilling yeast strains. Journal of the Institute of Brewing, 119(4), 202-220.

[3] Russell, I., Bamforth, C., & Stewart, G. (2014). Whisky: technology, production and marketing. Elsevier. 

[4] https://www.kerry.com 

[5] https://www.pinnaclewineingredients.com/ 

[6] https://www.lallemandbds.com/ 

[7] Walker, G. M., & Hill, A. E. (2016). Saccharomyces cerevisiae in the production of whisk (e) y. Beverages, 2(4), 38. 

[8] Sicard, D., & Legras, J. L. (2011). Bread, beer and wine: yeast domestication in the Saccharomyces sensu stricto complex. Comptes rendus biologies, 334(3), 229-236.

[9] Kishimoto, T., Noba, S., Yako, N., Kobayashi, M., & Watanabe, T. (2018). Simulation of Pilsner-type beer aroma using 76 odor-active compounds. Journal of bioscience and bioengineering, 126(3), 330-338.