Terpene & Annandale, 4 Jahre - The Whisky Chamber

Zum Geburtstag von Otto Wallach schreibe ich diesen Beitrag und verkoste dabei einen noch sehr jungen Whisky aus den schottischen Lowlands. Einen Annandale von The Whisky Chamber.

Abbildung 1: Ein junger Annandale von The Whisky Chamber.

Doch zunächst klären wir die Frage: Wer war Otto Wallach?
Otto Wallach (*27. März 1847 in Königsberg i. Pr.; †26. Februar 1931 in Göttingen) war ein deutscher Chemiker der Organik sowie Naturstoffchemie und Nobelpreisträger. Heute wäre er 173 Jahre alt geworden- Er war Professor an der Universität Göttingen und hatte dort den Posten des Direktors des chemischen Instituts inne. Begraben liegt er auf dem Göttinger Stadtfriedhof, der Ruhestätte von zahlreichen weiteren Nobelpreisträgern wie z.B. Max Planck, Otto Hahn und Walther Nernst. Mit seinen Arbeiten schuf Otto Wallach die Grundlagen zur Strukturaufklärung von Terpenen. Ihm zu Ehren, annlässlich seines Geburtstages, gibt es heute einen kleinen Exkurs zu genau diesen Sekundär-Metaboliten von Pflanzen - den Terpenen.

Abbildung 2: Otto Wallach (um 1900).
Terpene

Terpene sind sekundäre, nicht strukturgebende Pflanzeninhaltsstoffe. Das bedeuted, dass diese zwar in den Pflanzenzellen vorkommen und dort gebildet werden, aber nichts zum eigentlichen Gerüst der Pflanze (bestehend aus Cellulose, Hemicellulose und Lignin) beitragen.
Das wohl bekannteste Terpen ist Menthol (Vgl. Abbildung 4a), welches in hohen Konzentrationen in Pflanzen der Gattung Mentha vorkommt. Andere recht bekannte Terpene sind Limonen, Citronellol oder auch Campher.
Alle Terpene haben gemeinsam, dass sie aus miteinander verbundenen Isopren-Einheiten bestehen, die Strukturformel von Isopren ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Terpene werden nach Anzahl ihrer Isopren-Einheiten eingeteilt. Werden zwei dieser Isopreneinheiten miteinander verknüpft, entstehen sog. Monoterpene. Die einfachsten Terpene. Aus vier Isopreneinheiten entstehen die Diterpene. Aus sechs Isopreneinheiten entstehen die sog. Triterpene... und so weiter.

Abbildung 3: Isopren.

Abbildung 4a: Menthol.        Abbildung 4b: Linalool.


Terpene finden sich in einer Vielzahl verschiedener Pflanzen. Neben dem Menthol in der Minze befinden sich Monoterpene wie Limonen und Citronellol in Zitrusfrüchten und Linalool in zahlreichen Kräutern wie Koriander, Thymian und Basilikum. Aber auch in Nahrungs- und Genussmitteln kommen Terpene vor und sorgen genau wie die Ester für exotische, beerige aber auch oft würzige Aromen.[1] Auch im Whisky befinden sich Terpene, hier konnten unter anderem folgende Monoterpene nachgewiesen werden: Linalool (Vgl. Abbildung 4b), Geraniol, Carvacrol und Thymol.[2] Linalool und Geraniol besitzen blumige bis fruchtige Aromen und Carvacrol und Thymol sorgen für würzige Aromen von Kräutern wie z.B. Thymian. In der Welt der Pflanzen dienen diese stark duftenden und leicht flüchtigen Monoterpene dem Anlocken von Bestäubern oder Samenverbreitern.

Neben den genannten Terpenen gibt es noch ca. 8000 weitere Substanzen dieser Verbindungsklasse in der Natur. Sie begegnen uns aber auch im alltäglichen Leben. Zum Beispiel ist auch Naturkautschuk eine solche Verbindung. Aber auch Carotinoide als gelbe, orangene und rote Farbstoffe in zahlreichen Blüten, Früchten und Blättern gehören dazu und dienem dem UV-Schutz der Pflanzen. Carotinoide, vor allem das β-Carotin, werden im menschlichen Körper zu Retinal (Vitamin A) umgewandelt.
Abbildung 5: β-Carotin.

Eine andere Klasse der Terpene bilden die Cannabinoide. Das bekannteste davon, das Δ9-Tetrahydrocannabinol der Hanf-Pflanze, ist nur ein Vertreter von zahlreichen weiteren Cannabinoiden. In der Pflanze dienen sie zum einen als Fraßschutz, aber auch als Schutz vor Pilzen und Bakterien. Vor allem die Medizin hat in den letzten Jahren großes Interesse an den verschiedenen Cannabinoiden entwickelt. Sie werden zum Beispiel in der Schmerztherapie, zur Linderung von Nebenwirkungen durch Chemotherapien von Krebspatienten sowie gegen Spastizität bei Multiples-Sklerose eingesetzt.

Terpene findet man allerdings nicht nur in der Natur, sie werden auch synthetisch hergestellt und finden u.a. als biochemische Lock- oder Abschreckungsstoffe Anwendung. So produzieren z.B. Fichten in ihren Harzkanälen (siehe Abbildung 6) stark duftende Terpene, welche Borkenkäfer anlocken. Derzeit wird untersucht ob diese oder andere Terpene auch gegen einen Befall von Borkenkäfern zum Einsatz kommen können. [3]

Abbildung 6: REM-Aufnahme eines Harzkanals einer Fichte. Picea abies. [4] (Dr. M. Rosenthal, TU Dresden)

Terpene sind somit "kleine" Alleskönner! Sie dienen als Aromen und Duftstoffe (Monoterpene u.a. auch im Whisky), sie werden in der Medizin eingestezt (Cannabinoide), fungieren als Farb- und Botenstoffe in Pflanzen (Carotinoide), sie sind Vorläufer-Strukturen von Vitaminen und als Polyterpen setzen wir Naturkautschuk sogar in unseren Autoreifen ein.

Zurück zum Whisky

Noch nicht mal im Grundschulalter und aus den Lowlands - eigentlich so gar nicht mein Beuteschema. Allerdings habe ich einen etwas untypischen Lowlander für eine Verkostung gesucht. So hat dieser Annandale also den Weg zu mir gefunden und ich kann ihn euch heute vorstellen. An dieser Stelle ein Dank an Thomas von Whisky Südholstein für die fast halbvolle Flasche!

Ein interessanter Whisky einer recht alten Brennerei, welche allerdings in den 1920er Jahren stillgelegt wurde. Nach zahlreichen Jahren umfrangreicher Sanierungsarbeiten wird nun seit 2014 wieder Whisky bei Annandale gebrannt. Das besondere an Annandale ist seitjeher die Nutzung von getorftem Gerstenmalz für ihre Whiskys, was für die Lowlands nicht gerade typisch ist. Das Malz für diesen Whisky hatte einen Phenol-Gehalt von 45 ppm. Die Brennerei selbst liegt ganz im Süden von Schottland unweit der kleinen Stadt Annan nur wenige Meilen von der Grenze zu England entfernt.

Der Whisky in meinem Glas ist 4 Jahre alt und wurde im Juli 2015 destilliert, in einem Bourbon Barrel (Nr. 479) gelagert und im September 2019 vom unabhängigen Abfüller The Whisky Chamber abgefüllt. Er kam mit 59,1 vol.-% in insgesamt 370 Flaschen à 0.5 L. Er lag also etwas über 4 Jahre in einem Bourbonfass, für diese kurze Zeit hat er eine wunderschöne gold-gelbe Farbe bekommen. 

Abbildung 7: Die goldgelbe Farbe des 4 jährigen Annandales.

In der Nase merkt man gar nicht viel vom Rauch. Er wirkt gut eingebunden für sein Alter. Auf jeden Fall dominiert der Rauch nicht. Neben Rauch und deutlichen medizinischen, phenolischen Noten riecht man außerdem viel süße Vanille. Aber es lassen sich auch leicht würzige Aromen und etwas Malz finden. Gibt man ihm etwas Wasser kommen deutlich Banane und Vollmilch hervor. Für 4 Jahre ist die Nase dieses Whiskys bereits wunderbar komplex und ausgewogen. Lecker!

In Mund dominiert der Rauch dann schon etwas stärker. Deutlich Asche und kalter Rauch, aber auch auf der Zunge ganz leicht medizinische Noten. Der Rauch ist wirklich kräftig und der Whisky hat dazu eine frische Pfefferschärfe. Stark, jung und wild. Ein bisschen kommt noch die Vanille durch und auch ganz wenig Frucht ist zu schmecken. Vorwiegend aber der kräftige Rauch.

Der Abgang ist länger als gedacht. Natürlich bleibt erstmal nur viel Rauch und etwas Asche übrig. Aber man merkt auch ein bisschen vom Eichenholz, eine leicht bittere Würze mit einer ganz dezenten Säure. Überraschend lang und gut!

Alles in allem ein leckerer und interessanter Whisky und ich bin sehr gespannt was in den nächsten Jahren noch aus dieser Brennerei kommt. Da dies mein erster Annandale war, den ich probieren durfte, kann ich nichts zu anderen Abfüllungen sagen. Diese gefällt mir ganz gut. Klar merkt man diesem Malt seine ungestüme Jugend an, aber ich kann mir gut vorstellen, dass mir diese Brennerei vielleicht in 6-10 Jahren wirklich wunderbar zusagt! Blind hätte ich diesen Malt wohl nach Islay sortiert.

Dieser Whisky ist auf jeden Fall einen Blick über den Tellerrand wert! Sehr spannend!

Whisky & Molecules



Referenzen:
[1] Lasekan, O., & Abbas, K. A. (2012). Distinctive exotic flavor and aroma compounds of some exotic tropical fruits and berries: a review. Critical reviews in food science and nutrition, 52(8), 726-735.

[2] Oller-Ruiz, A., Viñas, P., Campillo, N., Fenoll, J., & Hernández-Córdoba, M. (2017). Triple Quadrupole Mass Spectrometry with Liquid Chromatography and Dispersive Liquid-Liquid Microextraction for the Determination of Monoterpenes in Alcoholic Drinks. Food Analytical Methods, 10(11), 3615-3622.

[3] Zhao, T., Krokene, P., Hu, J., Christiansen, E., Björklund, N., Långström, B., ... & Borg-Karlson, A. K. (2011). Induced terpene accumulation in Norway spruce inhibits bark beetle colonization in a dose-dependent manner. PLoS One, 6(10).

[4] Abbildung von: Dr. Michael Rosenthal, Technische Universität Dresden - aus: Rosenthal, M.; Bäucker, E. (2012): Zur Anatomie des Fichtenholzes. Rasterelektronenmikroskopische Bildtafeln.