Whisky und Wasser – Über das Verdünnen von Whisky

Wasser macht den Whisky besser! Oder nicht?

Wenn man anfängt sich für Whisky zu interessieren, trinkt man ihn meistens pur. Beschäftigt man sich etwas mehr mit der Materie und hat Kontakt zu Gleichgesinnten, wird man schnell merken, dass die „Profis“ ihre Whiskys oftmals mit Wasser verdünnen. Meinungen über die Zugabe von Wasser gibt es fast so viel Verschiedene wie es Whiskys gibt. Die einen geben nie auch nur einen Tropfen dazu, andere dagegen schwören auf wenige Tropfen und wieder andere scheinen fast ein halbes Wasserglas im Whisky zu versenken. 

Genau darum geht's in diesem Artikel: um die Verdünnung von Whisky. Was passiert auf der molekularen Ebene im Whisky sobald der Wassergehalt erhöht wird? Warum ändert sich das Aroma eines Whiskys durch die Wasserzugabe? Wieviel Wasser ist sinnvoll und wie berechne ich die richtige Menge? 

Diese Fragen werden im Folgenden beantwortet! 

Doch zunächst ein Zitat von Sir Winston Churchill, welches sehr gut zum Thema passt, denn Wasser und Whisky gehören zusammen:

"Das Wasser war nicht genügend süffig. Damit sein Geschmack besser wurde, mussten wir Whisky hinzufügen." 

Doch auch anders herum wird ein Schuh draus, manchmal muss man dem Whisky eben auch Wasser hinzufügen, damit er besser wird.


Der Status Quo – Whisky in Fassstärke

 

Wurde dem Whisky nach dem Abfüllen aus dem Fass kein Wasser zugefügt, spricht man von einem Whisky in Fassstärke. Diese kann, je nachdem wieviel Verdunstung im Laufe der jahrelangen Lagerung stattgefunden hat zwischen 70 – 40 vol.-% betragen. 

Nun ist es so, dass ein Gemisch von Alkohol und Wasser keine sogenannte ideale Lösung bildet, in der alle Moleküle gleichmäßig untereinander verteilt sind. Ethanol hat die Eigenschaft, in wässriger Lösung sogenannte Cluster zu bilden, diesen Vorgang nennt man Agglomeration. Hierbei kommt es aufgrund der elektrostatischen Wechselwirkungen der Moleküle zu sphärenförmigen Bereichen mit hoher Ethanol Konzentration. Man kann sich das Ganze als Ethanolblasen unter Wasser vorstellen. Bei hohen Alkoholkonzentrationen von über 20-30 vol.-% [1] kommt es dazu, dass diese Ethanol-Cluster absinken und sich eher im unteren Teil der Flüssigkeit aufhalten. Die Cluster nennt man in der Wissenschaft auch Agglomerate oder Mizellen, der Vorgang der Bildung nennt sich Agglomerieren (lat.: sich anhäufen).

(c) Whisky and Molecules

 

Alles eine Frage der Polarität

 

Die Eigenschaft bestimmter Stoffe vorzugsweise Cluster (sog. Mizellen) zu bilden, anstatt sich ideal zu verteilen, ist abhängig von der Polarität der beteiligten Stoffe. Moleküle mit polaren Eigenschaften können sehr gut Wechselwirkungen mit anderen polaren Molekülen eingehen. Umgekehrt funktioniert dies genauso, unpolare Verbindungen wechselwirken intensiver mit anderen unpolaren Molekülen. 

Daher kommt der Ausdruck: Ähnliches löst sich in Ähnlichem. Stoffe mit gleichen bzw. ähnlichen Eigenschaften, lösen sich in der Regel gut ineinander auf. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Wasser ist eine polare Verbindung, Zucker ebenso. Das führt dazu, dass Zucker sehr gut in Wasser löslich ist. Öle jedoch, wie zum Beispiel Olivenöl, sind sehr unpolare Substanzen, sie lösen sich im Wasser so gut wie nicht und es kommt zur Bildung zweier Phasen.

(c) Whisky and Molecules

Nun ist Ethanol jedoch nicht vollständig als unpolar zu betrachten. Es hat auf der einen Seite eine polare Gruppe und auf der anderen Seite einen kurzen unpolaren Teil. Es kann also Wechselwirkungen mit Wasser eingehen, allerdings auch Wechselwirkungen mit sich selbst, wie sich Ethanol in Wasser verhält, ist Abhängig von den Umgebungsbedingung. In einer stark konzentrierten Alkohollösung, wie z.B. ein Whisky in Fassstärke, sind sehr viele Alkoholmoleküle vorhanden und die Wechselwirkung des Ethanols mit sich selbst ist begünstigt. Es bilden sich Mizellen, welche zu Boden sinken. 

Verdünnt man den Whisky, steigt die Menge an Wasser an und der Alkoholgehalt sinkt. Es werden im Vergleich zu den Wassermolekülen immer weniger Ethanolmoleküle. Wodurch sich in der nachbarschaft eines Ethanolmoleküls deutlich mehr Wasser befindet. Die Wechselwirkung von Wasser und Ethanol steigt an und die Cluster fangen an sich aufzulösen. Sie steigen auf und der Ethanol beginnt sich besser im Wasser zu verteilen.

 

Alkohol hält die Aromen fest! 

 

Nicht nur der im Whisky vorhandene Ethanol bildet diese Cluster. Auch die für uns wichtigen Aromen, wie Ester und langkettige Fettsäuren neigen dazu zu Agglomerieren, denn sie besitzen einen noch größeren unpolaren Teil als Ethanol. Außerdem wechselwirken Verbindungen wie Ester und Fettsäuren, stärker mit dem Alkohol als mit dem im Whisky enthaltenen Wasser. Doch zeigen auch sie das selbe Verhalten, wie die Alkohol-Cluster. Durch das verdünnen mit Wasser, werden diese Cluster aufgebrochen und die Ester können sich etwas besser verteilen, sie steigen auf und die Eigenschaft in Lösung gehalten zu werden, sinkt. Als Ergebnis gehen diese Verbindungen bei höherer Wasserkonzentration besser in die Gasphase über, denn sie werden nicht mehr so stark von der Lösung „festgehalten“.

(c) Whisky and Molecules

Außerdem ist es möglich, dass diese Cluster phenolartige Verbindungen, wie zum Beispiel Guaiacol, Xylenol oder andere Aromen einschließen. Durch das Aufbrechen dieser Cluster beim Verdünnen, werden diese Aromen frei, können vermehrt an die Oberfläche aufsteigen und haben somit die Möglichkeit in die Gasphase überzugehen. Der Whisky riecht dadurch intensiver.

(c) Whisky and Molecules

Diesen Effekt haben bereits mehrere internationale Forschungsgruppen untersucht. Allen voran sind hier die Arbeiten von Connor et al. zu erwähnen. Der schottische Forscher untersuchte ganz genau die Bildung der Mizellen und den Übergang von Aromen in die Gasphase bei unterschiedlichen Alkoholkonzentrationen. Er konnte zweifelsfrei belegen, dass deutlich mehr Verbindungen in die Gasphase übergehen, je niedriger die Alkoholkonzentration ist. Diese Übergänge sind am stärksten bei Alkoholkonzentrationen unterhalb von 20 vol.-%. [2,3,4]

 

Die richtige Verdünnung wählen

 

Über die Wahl der richten Alkoholstärke scheiden sich die Geister. Selten wird über ein Thema so stark gestritten wie über die Wasserzugabe. Die richtige Verdünnung ist somit reine Ansichtssache und sollte jeder für sich selbst, sowie bei jedem Whisky erneut herausfinden. Denn nicht immer sind viel Aromen automatisch besser. 

Fakt ist: Durch die Zugabe von Wasser findet eine Veränderung der wahrnehmbaren Aromen statt. 

Doch ist diese Veränderung in jedem Fall besser? 

Nein! Diese Wahrnehmung ist zum einen sehr subjektiv. Nicht jeder empfindet den selben Geruch oder Geschmack als angenehm. Während der eine hohe Verdünnungen schätzt um einzelne Aromen intensiver wahrzunehmen, empfindet der andere diese Verdünnung eventuell als zu extrem und der Whisky wirkt verwässert.

Bei einer starken Verdünnung werden mehr Aromen freigesetzt, das ist, wie bereits erwähnt, wissenschaftlich sehr gut nachvollziehbar. Doch unser Empfinden setzt sich nicht allein aus der Intensivität, also der Menge an Aromamolekülen in unserer Nase zusammen. Unser Geruchs- sowie Geschmacksempfinden ist stets eine Kombination mehrerer Verbindungen. Durch eine starke Verdünnung kann es ebenso dazu kommen, dass einzelne Verbindungen andere Aromen überlagern.

Beispielsweise habe ich häufig die Erfahrung gemacht, dass fruchtige Noten bei der Verdünnung zunächst stärker werden. Würzigere Aromen wie von einem herben Waldhonig, werden häufig durch Wasserzugabe schwächer. Allerdings mag ich persönlich ein intensives Honigaroma, wodurch eine zu starke Verdünnung den Whisky für mich nicht zwingend besser macht, obwohl er insgesamt etwas intensiver riecht. Einzelne Sinneseindrücke können durch Überlagerung oder Kombination verloren gehen.

Aus diesem Grund sollte jeder für sich selbst herausfinden, welche Verdünnung zu welchem Whisky passt. Genau deshalb habe ich persönlich eine Vorliebe für Whisky in Fassstärke. Denn hiermit kann man spielen und die für sich richtige Menge an Wasser herausfinden.

Um besser abschätzen zu können, bei welcher Alkoholkonzentration man bei der Verdünnung ungefähr landet, habe ich folgende Tabelle zusammengestellt. Hier kann man genau ablesen wie sich der Alkoholgehalt verändert, wenn man eine definierte Menge an Wasser hinzufügt. Die Alkoholgehalte sind auf eine Ausgangsmenge von 20 mL (2 cL) Whisky berechnet.  

Vorgehensweise:

1.)    Sucht euch die Alkoholstärke (Ausgangskonzentration) des zu verdünnenden Whiskys in der linken Spalte heraus.
2.)    Sucht euch die ungefähr gewünschte Zielkonzentration in der Tabelle aus.
3.)    Lest in der oberen Zeile ab, wieviel Wasser ihr hinzugeben müsst, um die Zielkonzentration zu erreichen.

(c) Whisky and Molecules
Verdünnungstabelle - für eine größere Ansicht auf die Tabelle klicken.

Zum besseren Verständnis folgendes Beispiel:

  • Ausgangssituation: Der vorliegende Whisky hat eine Alkoholkonzentration von 54 vol.-%.
  • Das Ziel: Ihr wollt auf etwa 40 vol.-% verdünnen.
  • Aus der Tabelle ergibt sich: Ihr müsst 20 mL Whisky mit 7 mL Wasser verdünnen, um eine Konzentration von 40 vol.-% zu erhalten.

Umrechnungen: 

Falls ihr eine Pipette ohne Milliliter-Skala habt, ist es nicht ganz genau möglich, anhand der Tropfenanzahl die Menge an Wasser zu berechnen. Es gibt die Faustregel, dass etwa 15 – 20 Tropfen 1 mL ergeben. Doch dies hängt stark von der Pipette ab. 

Verdünnt ihr mit einem Löffel, sagt man, dass ein Teelöffel etwa ein Volumen von 5 mL besitzt. Ein Esslöffel besitzt ein Fassungsvermögen von etwa 15 mL. 

Das sind allerdings alles gerundete Werte, welche nur als Richtwert und nicht als absolut angesehen werden sollten. Falls ihr es genau wissen wollt, besorgt euch am besten einen kleinen 20 mL Messzylinder oder eine Pipette mit Skalierung.

 

Fazit - Ihr entscheidet selbst!


Es ist vollkommen egal, wie ihr euren Whisky trinkt. Die Hauptsache ist, euch gefällt er so am besten. Seid euch bewusst, dass man durch die Zugabe von Wasser etwas mehr Aromen aus dem Whisky herausholen kann. Doch nicht immer ist dieser Effekt ausschließlich positiv! 

Dass sich das Aroma durch die Zugabe von Wasser ändert, ist fakt! Ob die Verdünnung für das Aroma von Vorteil ist, entscheidet ausschließlich ihr und euer Geschmack! Lasst euch in dieser Beziehung nicht reinreden. Probiert es selbst!

Allerdings: Es handelt sich, laut Gesetz, nur bis zu einer Alkoholstärke von 40 vol.-% um Whisk-e-y. Verdünnt ihr den Whisky unter diesen Wert, habt ihr keinen Whisky mehr im Glas, sondern im besten Fall ein mit Whisky aromatisiertes Wasser. ;-) 

Deshalb: trinkt und geniest wie es euch schmeckt und lasst euch von niemandem belehren! Jeder sollte so agieren wie er es mag und wie es ihm Freude bereitet. Es ist stets ein feiner Grad zwischen der Aromenverbesserung und der Whiskyverwässerung oder wie es B. C. Karlsson in seiner Veröffentlichung schreibt:

"Overall, there is a fine balance between diluting the whisky to taste and diluting the whisky to waste."[1]

In diesem Sinne: Slàinte mhath!

Whisky and Molecules


(c) Whisky and Molecules


 

Referenzen:

Wenn ihr mehr zu diesem interessanten Thema erfahren wollt, dann empfehle ich euch die englische Originalliteratur von Karlsson et al. und Conner et al. -  Die hier angegebenen Artikel sind i.d.R. als OpenSource öffentlich zugänglich:

[1] Karlsson, B. C., & Friedman, R. (2017). Dilution of whisky–the molecular perspective. Scientific reports, 7(1), 1-9.

[2] Conner, J. M., Paterson, A., & Piggott, J. R. (1999). Release of distillate flavour compounds in Scotch malt whisky. Journal of the Science of Food and Agriculture, 79(7), 1015-1020.

[3] Conner, J. M., Birkmyre, L., Paterson, A., & Piggott, J. R. (1998). Headspace concentrations of ethyl esters at different alcoholic strengths. Journal of the Science of Food and Agriculture, 77(1), 121-126.

[4] Conner, J. M., Paterson, A., & Piggott, J. R. (1994). Agglomeration of ethyl esters in model spirit solutions and malt whiskies. Journal of the Science of Food and Agriculture, 66(1), 45-53.