Schwefel - die Wurzel allen Übels

Schwefel? Stinkt! 

Manchmal muss man auch über die unschönen Dinge sprechen: Fehlaromen

Verbindungen, welche den Geruch oder Geschmack von Whisky negativ beeinflussen und im allgemeinen als ungenießbar gelten, werden als Fehlaromen bezeichnet. Einige davon, und vermutlich für alle die wohl unangenehmsten, sind die Schwefelverbindungen. Mit ihnen verbindet man üblicherweise etwas Negatives. 

(c) Whisky and Molecules
Abbildung 1: Schwefelhaltige Mineralien auf Stromboli, Italien.

Der Ursprung, dass schwefelhaltige Stoffe bei unserem Körper ein Warnsignal hervorrufen, liegt in der Revolution begründet. In der Natur vorkommende, leicht flüchtige und somit stark riechende Verbindungen sind sehr giftig. Unser Körper warnt uns mit einem angeborenem Ekel vor diesen Verbindungen. Im Laufe unzähliger Generationen hat der Mensch eine sehr hohe Empfindlichkeit gegenüber schwefelhaltigen Gasen entwickelt und bereits kleinste Mengen im ppm Bereich verursachen einen unfassbar widerwärtigen Geruch. Ein Beispiel: Sind 0,05 ppm (0,000005 %) des hoch giftigen Gases Schwefelwasserstoff in der Luft enthalten, riecht es unerträglich nach faulen Eiern, was automatisch zum schnellstmöglichsten Entfernen von der Geruchsquelle führt. In der Natur sind diese Schwefelquellen häufig in der Nähe von Vulkanen zu finden, also kein Ort an dem man sich längere Zeit aufhalten sollte.

Doch auch in sehr vielen Lebensmitteln und nicht zuletzt auch in fast allen alkoholischen Getränken sind Schwefelverbindungen enthalten. Sie besitzen Aromen, welche uns an verdorbenes Fleisch, angebrannte Streichhölzer, faule Eier, Zwiebeln, Kohl oder ranzige Butter denken lassen. Fast immer werden diese Gerüche als sehr unangenehm beschrieben. Manch einer hat vielleicht auch schon einige dieser Aromen bei dem ein oder anderen Whisky vernommen, denn auch hier kommen schwefelhaltige Verbindungen vor. In ganz geringen Mengen können sie den Geruch bzw. Geschmack sogar positiv beeinflussen, denn auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift bzw. das Fehlaroma.


Welche Schwefelverbindungen kommen in Whisky vor?

Um in das Thema der Schwefelkomponenten einzusteigen, folgt zunächst eine Auflistung der vorrangig in Whisky vorkommenden bekannten Schwefelverbindungen (Abbildung 2). Es gibt durchaus noch andere, doch die hier dargestellten Moleküle sind die hauptsächlich vorkommenden ihrer Art. Darüber hinaus haben sie unterschiedlichen Ursprung. Dieser und der Werdegang der Verbindungen während der Whiskyproduktion werden im weiteren Verlauf des Artikels näher beleuchtet. 

Spricht man in Verbindung mit Whisky von Schwefel, kommt dieser nicht als elementarer, gelber Schwefel vor. Es handelt sich in diesem Fall um organische Moleküle mit funktionellen Schwefel-Gruppen. Dies sind vor allem die Thiole und Sulfide. Dennoch ist es umgangssprachlich durchaus üblich von "Schwefel" beziehungsweise einem "Schwefelgeruch" zu sprechen. Die Entstehung dieser Fehlaromen ist unterschiedlich, doch haben sie fast alle denselben Ursprung: Aminosäuren im verwendeten Malz.

 

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Abbildung 2: In Whisky vorkommende schwefelhaltige Verbindungen.

Die hier dargestellten acht Verbindungen kommen nicht immer in jedem Whisky vor und je nach Destillationsvorgang, Lagerungsdauer und Lagerungsart können die Gehalte variieren und besitzen somit auch einen unterschiedlichen Einfluss auf das Geruchs- und Geschmackserlebnis beim Whiskygenuss.[1,2,3]

Wie der Schwefel in den Whisky kommt

Schwefelquellen gibt es bei der Herstellung von Whisky nicht sonderlich viel. Eine Variante wie der Schwefel in das Destillat kommt, ist die Gärung. Ausgangspunkt sind hierbei die schwefelhaltigen Aminosäuren Cystein und Methionin (Abbildung 3). Die Hefen wandeln diese Verbindungen, welche im Malz enthalten sind, im Laufe der Gärung um und erzeugen so andere, schwefelhaltige organische Moleküle. Die erzeugten Schwefelverbindungen (Abbildung 4) sind in der Regel leicht flüchtig, riechen sehr übel und können während der Destillation aus der Maische in das Destillat übergehen. Die erste Variante wie der Schwefel in den Whisky kommt, ist die durch die Hefen verursachte Umwandlung von Aminosäuren aus dem Malz während der Fermentation.[4]

 

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Abbildung 3: Im Malz enthaltene, schwefelhaltige Aminosäuren..

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Abbildung 4: Umwandlung von Methionin zu den Hauptprodukten Schwefelwasserstoff (1), Methansulfid (2) und Ethansulfid (3).
 

Eine weitere Möglichkeit, wie der Schwefel in den Whisky kommt, ist die Nutzung von Weinfässern. In der Weinherstellung kommt Schwefel in der Form von Sulfit vor. In der Herstellung werden Verbindungen wie z.B. Kaliumpyrosulfit eingesetzt, um im Wein enthaltenen Sauerstoff, welcher die Lebensgrundlage verschiedener unerwünschter Mikroorganismen ist, zu binden. Schwefel macht den Wein haltbarer und gilt somit als Konservierungs- bzw. Antioxidationsmittel. Andererseits werden auch ehemalige Weinfässer vor einem längeren Transport geschwefelt, in dem eine „Schwefelkerze“ im Weinfass abgebrannt wird. Diese sogenannte Schwefelkerze, wird dabei an einem Draht in das Fass gehängt und angezündet. Die dabei entstehenden Dämpfe (vorwiegend SO2) wirken desinfizierend auf die Oberfläche und sorgen dafür, dass das entleerte Weinfass nicht vergammelt. Üblicherweise wird dies nicht von den Whiskybrennereien durchgeführt, sondern vor Ort bei den Weingütern bzw. Bodegas wo die Fässer hergestellt, befüllt und wieder entleert werden. Diese Schwefelverbindungen haben üblicherweise einen typischen Streichholz- bzw. Silversterknallergeruch. 

Dies ist die zweite Variante, wie der Schwefel in den Whisky kommen kann – durch das Fass. [5]

 

Reaktionen am Kupfer

Vorteile Kupfer als Material für die Brennblasen zu nutzen ist nicht nur die recht einfache Verarbeitung und gute Wärmeleitfähigkeit von Kupfer, sondern auch die Eigenschaft mit unerwünschten Verbindungen aus der Maische zu reagieren. Denn Kupfer ist in der Lage viele dieser Fehlaromen umzuwandeln oder zu binden. Die während der Gärung entstehenden Schwefelverbindungen (vorrangig Schwefelwasserstoff und Methanthiol) werden während der Destillation in der Kupferbrennblase in einer Redoxreaktion umgesetzt.[4]

Das übel riechende Gärungsprodukt Schwefelwasserstoff (1), wird während der Destillation an der Kupfer-Oberfläche (hier liegt das Kupfer als Cu2+ vor) umgesetzt und es entsteht Kupfersulfid (CuS). Dieses bleibt an der Kupferoberfläche haften oder fällt durch die Kondensation des Dampfes zurück in die Brennblase wo es im Destillationssumpf verbleibt (Abbildung 5). Somit wird entstandener Schwefelwasserstoff durch die Destillation in Kupferbrennblasen nahezu vollständig umgesetzt und findet nicht den Weg ins Destillat.[4,6] Zum Glück, denn mit einem Geruch der an Erbrochenes und faule Eier erinnert, möchte wirklich niemand Schwefelwasserstoff in seinem Whisky haben.

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Abbildung 5: Umsetzung von Schwefelwasserstoff (2) mit Kupfer(II) zu Kupfersulfid (CuS).

 

Andere Gärungsprodukte wie Methanthiol oder Ethanthiol werden nicht durch die Destillation am Kupfer gebunden, sondern lediglich in andere schwefelhaltige Verbindungen umgewandelt. Typische Vertreter sind die Verbindungen Dimethylsulfid (4 DMS), Dimethyldisulfid (5 DMDS) und Dimethyltrisulfid (6 DMTS), welche durch die Reaktion mit Kupfer gebildet werden und anschließend mit dem Gasstrom bis ins Destillat wandern können. (Abbildung 6 und 7) Vor allem New Make Spirit kann, je nach Brennblase und Maischbedingungen reich an diesen Verbindungen sein. Die Untersuchungen von Harrison et al. haben gezeigt, dass diese Reaktionen nicht auftreten wenn zur Destillation eine Edelstahlapparatur genutzt wird.[6] Demzufolge ist die Verwendung von Kupfer in der schottischen Whiskyindustrie ausschlaggebend für die Qualität des entstehenden Destillats.[6,7]

 

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Abbildung 6: Reaktion von Methanthiol (2) zu Dimethyldisulfid (5) (DMDS).

 

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Abbildung 7: Reaktion von Schwefelwasserstoff (1) mit Methanthiol (2) zu Dimethyltrisulfid (6).

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch wie stark der Kupferkontakt in der Brennblase und dem Kühler ist. Das heißt nicht nur die standardmäßige Verwendung von Kupfer, sondern auch die Form der Destillationsapparatur hat einen Einfluss auf den Gehalt an Schwefelverbindungen. Bathgate et al. zeigten hierzu, dass auch die Form des Kühlers sehr wichtig ist. Schneckenkühler (oder auch Wurmkühler, engl. worm tub) bestehen aus einem spiralförmig gebogenem Kupferrohr, welches von außen gekühlt wird. Im Vergleich zu den häufiger verwendeten Netzkühlern bzw. Wabenkühler (engl. (tube) condenser), welche eine netzartige Geometrie aus mehreren kleinen Rohren in einem großen Rohr aufweisen, besitzen die Schneckenkühler eine deutlich geringere Oberfläche, wodurch es zu einem geringeren Kontakt von Alkohol und Kupfer kommt. Demnach besitzt ein Spirit, welcher unter Verwendung von worm tubs gewonnen wird, einen stärkeren Schwefelcharakter als jener aus einem Netzkühler.[7] An dieser Stelle ist vor allem die Cragganmore Brennerei zu nennen, welche ausschließlich worm tubs zur Kühlung nutzt.[8] Der New Make von Cragganmore zeigt einen deutlichen Schwefelcharakter, er besitzt fleischige, kohlartige Noten und wird erst durch eine ausreichend lange Lagerung genießbar. Doch was passiert während der Lagerung?

Schwefelverbindungen während der Lagerung

Um die während der Gärung entstandenen und mittels Destillation am Kupfer umgewandelten schwefelhaltigen Verbindungen aus dem Destillat, zumindest teilweise, zu entfernen, ist die Lagerung in Holzfässern bestens geeignet. Durch das ausbrennen der Fässer kommt es zur Verkohlung der äußeren Holzschicht im inneren des Fasses. Diese aktivkohleähnliche Schicht sorgt dafür, dass die Schwefelverbindungen im Holz gebunden werden und somit aus dem Destillat entfernt werden. Um dies zu verdeutlichen zeigt Abbildung 8 den typischen Konzentrations-Verlauf für drei Schwefelverbindungen über die Lagerungszeit. Masuda et al. konnten hierzu zeigen, dass die Konzentration verschiedener Schwefelverbindungen (DMS, DMDS und 3-(Methylthio)propylacetat (4,5,7)) während der Lagerung kontinuierlich abnehmen.[2,3] Am schnellsten geschieht dies beim kleinsten Molekül, der Verbindung Dimethylsulfid (4). Aber auch der Gehalt der anderen Schwefelverbindungen sinkt recht schnell durch den Kontakt mit Holz und ist nach mehreren Jahren der Lagerung zum Teil nicht mal mehr nachweisbar.

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Abbildung 8: Schematischer Verlauf der Schwefelverbindungen DMS (4), DMDS (5) und 3-(Methylthio)Propylacetat (7).

Wie schnell dieser Vorgang tatsächlich ist, hängt wiederrum von der verfügbaren Oberfläche ab. Das heißt, je kleiner das Fass ist, desto schneller geht dieser Vorgang vonstatten.[2] Doch generell ist festzustellen, dass dieser Vorgang sehr zügig von statten geht und über 95 % der enthaltenen Schwefelverbindungen innerhalb der ersten drei Jahre aus dem Destillat entfernt wird. Am längsten bleiben die Verbindungen Dimethyldisulfid (5) und Dimethyltrisulfid (6) erhalten, um diese zu entfernen, bedarf es einer langen Lagerung von mehreren Jahrzehnten.[2]


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Abbildung 9: Schematische Darstellung der Adsorption von Schwefelverbindungen an der Fassinnenwand.
 

Zusammenfassung

Um das ganze kurz Revue passieren zu lassen, gibt es eine kurze Zusammenfassung:

Kernaussagen des Ganzen sind: 

1.) Es gibt verschiedene Schwefelverbindungen. Diese entstehen zum einen während der Gärung und zum anderen können diese auch durch die Verwendung von geschwefelten Fässern (vor allem ehemalige Weinfässer) an den Whisky abgegeben werden.

2.) Die Verbindungen, welche während der Gärung entstehen, werden durch die Destillation zum Teil am Kupfer gebunden, hier ist vor allem die stark übelriechende Verbindung Schwefelwasserstoff zu nennen. Andere Verbindungen wie Methanthiol werden in weniger übelriechende Verbindungen umgewandelt und gehen auch ins Destillat über.

3.) Die effektivste Entfernung der ungewollten Fehlaromen findet während der Lagerung im Fass statt. An der auf der Oberfläche befindlichen Aktivkohleschicht bleiben diese Verbindungen haften. Dies geschieht recht zügig und ein Großteil dieser Verbindungen ist bereits nach wenigen Jahren entfernt. Nach zehn bis zwanzig Jahren Lagerung im Holzfass, ist es kaum noch möglich schwefelhaltige Verbindungen nachzuweisen.

Man sieht also, die seit Jahrhunderten etablierten Vorgänge der Whiskyherstellung haben durchaus ihre Berechtigung und sind sehr gut dafür geeignet einen harmonischen Whisky, ohne Fehlnoten zu produzieren. Dass manche Abfüllungen dennoch verschiedene, u.a. auch schwefelhaltige Fehlnoten aufweisen, ist in ihrer Art und Weise der Herstellung zu verdanken und liegt vermutlich hauptsächlich an der Nutzung stark geschwefelter Wein- bzw. Sherryfässer.

So, das war's auch schon! Ich hoffe ihr habt alle einen Malt ohne die in diesem Artikel behandelten Fehlaromen im Glas und falls es doch einmal dazu kommt: manchmal ist es auch sehr interessant diese sonst unerwünschten Fehlnoten zu riechen bzw. zu schmecken. Denn: in ganz geringen Mengen sind sie fast immer vorhanden und prägen auch den Charakter der einzelnen Brennereien, wie zum Beispiel bei der bereits erwähnten Brennerei Cragganmore.

In diesem Sinne: Slàinte!

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Abbildung 10: Schwefelkristalle auf Stromboli, Italien.


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Abbildung 11: Schwefelablagerungen an heißen Quellen in Wai-O-Tapu, Neuseeland.

 

 

 

Referenzen:

[1] Wanikawa, A. (2020). Flavors in Malt Whisky: A Review. Journal of the American Society of Brewing Chemists, 78(4), 260-278.

[2] Masuda, M., & NISHIMURA, K. I. C. (1982). Changes in volatile sulfur compounds of whisky during aging. journal of Food Science, 47(1), 101-105.

[3] MacNamara, K., Van Wyk, C. J., Augustyn, O. P. H., & Rapp, A. (2001). Flavour components of whiskey. II Ageing changes in the high-volatility fraction. South African Journal of Enology and Viticulture, 22(2), 75-81.

[4] Miller, G. H. (2019). Whisky Science: A Condensed Distillation. Springer.

[5] Morgan, S. C., Tantikachornkiat, M., Scholl, C. M., Benson, N. L., Cliff, M. A., & Durall, D. M. (2019). The effect of sulfur dioxide addition at crush on the fungal and bacterial communities and the sensory attributes of Pinot gris wines. International journal of food microbiology, 290, 1-14.

[6] Harrison, B., Fagnen, O., Jack, F., & Brosnan, J. (2011). The impact of copper in different parts of malt whisky pot stills on new make spirit composition and aroma. Journal of the Institute of Brewing, 117(1), 106-112.

[7] Bathgate, G. N. (2003). History of the development of whisky. Whisky: Technology, Production and Marketing, 1.

[8] https://scotchwhisky.com/whiskypedia/1832/cragganmore/ [letzter Zugriff: 21.02.2021]