Whisky und Luft

Whisky und Luft? Was passiert beim "atmen" von Whisky? 

Wer kennt es nicht? Öffnet man eine noch original verschlossene Flasche Whisky, ist das Aroma ein anderes, als wenn die Flasche bereits mehrere Monate offen und nur noch halb voll ist. Oft wird auch zum kurzen Verweilen im Glas geraten. Doch was passiert eigentlich wenn der Whisky kurz atmet bevor man ihn geniest? Das erkläre ich euch in diesem Beitrag. 

 


Oxidation

Im Zusammenhang mit der Whiskyreifung fällt häufig der Begriff: "Oxidation". Oxidation ist ein Redoxprozess, welcher (meistens) durch die Reaktion einer Substanz mit Sauerstoff vonstattengeht. Als Folge der Oxidation entstehen Bindungen zwischen dem Sauerstoff und der entsprechenden Verbindung. Man kennt dieses Phänomen von der Eisen-Oxidation, umgangssprachlich als Rosten bezeichnet. Hier reagiert das Eisen eines Metallstücks mit dem Sauerstoff der Luft. Es entsteht Eisenoxid (Rost). Aber auch die Substanzen im Whisky können mit Sauerstoff reagieren. In Folge der Oxidation reagieren diese zu neuen Verbindungen.

Doch kommt es beim sogenannten "atmen" von Whisky wirklich zur Oxidation?
Man muss sich hierzu folgendes vor Augen halten:

A) Nicht jeder Stoff ist unendlich oft oxidierbar. Finden solche Vorgänge statt, kommen sie irgendwann zum Erliegen und es bilden sich schwer oxidierbare bzw. oxidationsstabile Verbindungen. Das heißt vereinfacht ausgedrückt: Irgendwann ist Schluss!

B) Der Vorgang der Oxidation wird beschleunigt, wenn zum einen ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht und zum anderen wenn man die Temperatur erhöht. 

Bei der Herstellung von Whisky werden bestimmte Prozesse durchlaufen. Während dieser Produktionsschritte laufen verschiedene Reaktionen ab, hier kommt es auch mehrfach zur Oxidation der beteiligten Stoffe. Im folgenden Abschnitt erkläre ich die Oxidation während der einzelnen Produktionsschritte von Whisky.

Maischen

Bereits bei der Gärung der Getreide-Maische wird der Zucker aus dem Malz durch Pilze der Gattung Saccharomyces in Alkohol umgewandelt (siehe Grafik 1). Hierbei kommt es allerdings auch zu Oxidationsprozessen. Die Enzyme der Hefe stellen nicht nur Alkohol bzw. Ethanol her, auch eine Vielzahl anderer Gärprodukte werden durch Oxidationsprozesse gebildet.[1] Hierzu zählen vor allem Verbindungen wie Lactone, Säuren, Aldehyde und Ester.


Grafik 1: Alkoholische Gärung [G1]

 

Destillation

Im nächsten, viel entscheidenderen Schritt der Herstellung, der Destillation, wird bei hohen Temperaturen von 80-100 °C gearbeitet. Bei diesem Schritt kommt es zur stärksten und schnellsten Oxidation der im Whisky enthaltenen Verbindungen. Nachdem Destillieren sind somit keinerlei Verbindungen im Destillat enthalten, welche weiter oxidieren können. 

Auch eine Menge anderer Reaktionen finden während der Destillation statt. Eine Reihe an Veresterungsreaktionen werden durch die Hitze begünstigt und laufen bevorzugt ab.[2] Außerdem werden schwefelhaltige Verbindungen durch das Kupfer der Brennblase abgebaut und in stark flüchtige Gase umgewandelt oder am Kupfer gebunden.[3]

Lagerung

Während der Lagerung in Holzfässern gelangen Verbindungen aus dem Holz in das Destillat. Diese stammen entweder aus dem Holz selbst, hier sind vor allem die Abbauprodukte des Lignins und das sogenannte Whiskylacton zu nennen. Aber auch durch die Vorbelegung der Fässer können oxidierbare Substanzen in den Whisky übergehen.[4] Verbindungen aus Bourbon-Whiskey oder Sherry wurden während der Lagerung vom Holz aufgesogen und können nun, bei der Wiederbefüllung mit frischem Destillat, darin übergehen. Bourbon – als Getreide-Destillat und Sherry als bereits oxidativ gereifter Wein besitzt allerdings keine nennenswerte Anzahl leicht oxidierbarer Bestandteile. Außerdem wird das in diesen Fässern abgefüllte Destillat, im Kontakt mit Luft gelagert - über mehrere Jahre.

Aus diesen Gründen ist es äußerst unwahrscheinlich, dass es im Laufe der vergleichsweise kurzen Zeit im Glas, bzw. in einer halbvollen Flasche, zu einer nennenswerten Oxidation des Whiskys und dessen Verbindungen kommt. 

Doch warum ändert sich das Aroma von Whisky in offenen Flaschen?

Das Stichwort heißt Verdunstung!

Whisky besteht aus einer Vielzahl von Verbindungen. Diese Stoffe, welche maßgeblich für den Geschmack und Geruch verantwortlich sind, sind in einem Alkohol-Wasser Gemisch gelöst.
Lässt man den Whisky nun "atmen", verdunstet ein Teil dieser Stoffe. Das meiste davon ist Alkohol und etwas Wasser, aber auch andere Verbindungen gehen in die Umgebungsluft über. Man muss sich hierbei vor Augen halten, dass jeder Geruch von Molekülen verursacht wird, welche durch Verdunstung oder Sublimation in die Umgebungsluft gelangten und somit einen Weg in unsere Nase gefunden haben.

Verbindungen mit einem starken Drang zu verdunsten, werden als "leicht flüchtig" bezeichnet. Diese leicht flüchtigen Verbindungen gehen nun recht schnell in die Gasphase, die Luft, über. Öffnet man eine Flasche Whisky zum ersten Mal, sind noch viele dieser leicht flüchtigen Verbindungen im Whisky und im relativ kleinen Luftraum des Flaschenhalses enthalten. Diese riecht man auch etwas intensiver, weil sie in höherer Konzentration in der Luft über dem Whisky enthalten sind, als die schwer flüchtigen Substanzen. Nach einer Weile, stellt sich allerdings eine Art Gleichgewicht ein und der Großteil der flüchtigen Aromen hat sich wortwörtlich verflüchtigt. Zurückbleiben die Substanzen, welche aufgrund stärkerer Wechselwirkungen mit dem Alkohol bzw. dem Wasser im Whisky gebunden sind.

Grafik 2: Schematische Darstellung der Verdunstung flüchtiger Bestandteile in Whisky

 

Die leicht flüchtigen Substanzen setzen sich hauptsächlich aus Estern, Alkoholen, einfachen Phenolen, kurzkettigen Fetten sowie Monoterpenen zusammen. Aber auch viele Verbindungen, welche als Fehlaromen wahrgenommen werden, sind leicht flüchtig. Hierunter fallen auch einige Schwefelverbindungen mit üblem Geruch.

Verbindungen welche als schwer flüchtig eingestuft werden sind Wasser, komplexe Phenole, langkettige Fette, Säuren und Lactone.[5,6] Diese Verbindungen verdunsten nur zu sehr geringen Mengen und dazu sehr langsam. Sie bleiben also im Whisky enthalten.

Macht es Sinn einen Whisky atmen zu lassen?

Ja! Entkorkt man eine noch original verschlossene Flasche Whisky, kann es sinnvoll sein den Whisky etwas atmen zu lassen. Leicht flüchtige Verbindungen und auch ein Teil der Fehlaromen können somit die Flüssigkeit verlassen. Außerdem nimmt unsere Nase nun auch Verbindungen wahr, welche nur zu sehr geringen Mengen in die Luft übergehen. Somit erhält man ein breiteres Geruchsspektrum und kann auch etwas „hinter den Vorhang blicken“.

Ist die Flasche Whisky allerdings bereits halb leer, ist es nicht notwendig den Whisky im Glas ruhen zu lassen. In einer halbvollen Flasche Whisky ist bereits so viel und lange Luft enthalten, dass dieser Vorgang bereits zur Genüge stattgefunden hat.

Whisky kühlen? Ja oder Nein?

Wie schnell und stark die Verdunstung stattfindet, hängt ganz von der Temperatur und dem Umgebungsdruck ab. Je wärmer es ist, desto mehr flüchtige Verbindungen können die Flüssigkeit verlassen. Weshalb es, für ein intensives Geruchserlebnis, nicht sinnvoll ist einen Whisky auf Eis zu trinken. Die Verdunstung der Inhaltsstoffe verstärkt sich außerdem mit sinkendem Umgebungsdruck. Beim alltäglichen Whiskygenuss spielt der Druck allerdings keinerlei Rolle. Doch gibt es Flaschenverschlüsse, welche einen Unterdruck erzeugen, um die in der Flasche enthaltenen Verbindungen vor Sauerstoffkontakt und somit vor Oxidation zu schützen. Man zieht sozusagen die Luft aus der Flasche. Diese Verschlüsse kommen aus der Weinindustrie und sind dafür gedacht, den Wein geöffneter Flaschen vor einer Geschmacksänderung zu schützen. Für Whiskys sind diese Verschlüsse allerdings nur bedingt zu empfehlen. Dieser erzeugte Unterdruck sorgt dafür, dass mehr Verbindungen aus dem Whisky gezogen werden, diese gehen somit unserer Nase und der Zunge verloren. Außerdem erhöht der niedrige Druck auch die Verdunstung von Alkohol. Eine bessere Alternative zum normalen Naturkork sind diese Verschlüsse somit nicht. Anstatt Aromen zu schützen, gehen diese schneller verloren.

Vor allem rauchiger Whisky nimmt während der Lagerung einen anderen Geruch und Geschmack an. viele der starken Rauch-Aromen, verursacht durch die Stoffe Guaiacol, Cresol und Eugenol verdunsten über die Zeit, wodurch sich das Raucharoma merklich verringert. Eine sinnvollere Variante diesen Vorgang zu verlangsamen, ist das umfüllen in kleinere Flaschen, wenn man den Inhalt längere Zeit Lagern möchte. 

Eine andere Alternative: Zügig die Flasche leeren. 

 

In diesem Sinne: Slàinte mhath!

Whisky and Molecules


 

 

Referenzen:

[1] Wanikawa, A., Hosoi, K., Takise, I., & Kato, T. (2000). Detection or γLactones in Malt Whisky. Journal of the Institute of Brewing, 106(1), 39-44.

[2] GUYMON, J. F. (1974). Chemical aspects of distilling wines into brandy.

[3] Furusawa, T. (1996). The formation and reactions of sulphur compounds during distillation (Doctoral dissertation, Heriot-Watt University).

[4] Conner, J. M., Paterson, A., & Piggott, J. R. (1993). Changes in wood extractives from oak cask staves through maturation of Scotch malt whisky. Journal of the Science of Food and Agriculture, 62(2), 169-174.

[5] Câmara, J. S., Marques, J. C., Perestrelo, R. M., Rodrigues, F., Oliveira, L., Andrade, P., & Caldeira, M. (2007). Comparative study of the whisky aroma profile based on headspace solid phase microextraction using different fibre coatings. Journal of Chromatography a, 1150(1-2), 198-207.

[6] Demyttenaere, J. C., Martı́nez, J. I. S., Verhé, R., Sandra, P., & De Kimpe, N. (2003). Analysis of volatiles of malt whisky by solid-phase microextraction and stir bar sorptive extraction. Journal of Chromatography A, 985(1-2), 221-232.

[G1] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a2/Ethanol_fermentation_de.svg/800px-Ethanol_fermentation_de.svg.png (Zugriff: 17.10.2020, 17:21 Uhr)