Grüne Walnuss-Likör, Sächsische Spirituosenmanufaktur

Die Welt steht still. Das öffentliche Leben, die Schulen und Universitäten, Clubs, Läden, viele Firmen und auch die Grenzen sind dicht. Wir befinden uns quasi im Krieg. Im Krieg gegen einen unsichtbaren Feind. Es wird ein langer und beschwerlicher Weg zurück in eine lebenswerte Normalität.

Nicht nur unsere Gesundheit ist in Gefahr. Die deutsche Wirtschaft ist wohl dem härtesten Stresstest der Geschichte ausgesetzt und viele kleine und mittelständische Unternehmen werden diesem Virus zum Opfer fallen. Jetzt ist es an der Zeit sich solidarisch zu zeigen. Wenn es möglich ist, versucht bitte alle lokal und regional zu kaufen. Anstatt die Stiefmütterchen für den Blumenkasten im Baumarkt einer großen Kette zu kaufen, kauft sie lieber bei der ortsansässigen Gärtnerei. Die meisten haben immernoch geöffent und liefern sogar. Statt Aufbackbrötchen im Supermarkt, kauft eure Brötchen beim Bäcker! Eier und Milch gibt es auch in Bauernhofläden. Kauft euren Whisky nicht online bei Amazon oder im Supermarkt, sondern unterstützt die kleinen Whiskyshops! Große Ketten können diese Krise besser überstehen und  können die Verluste puffern. Für viele kleine Geschäfte kann die derzeitige Situation das Ende bedeuten.

-  Support your local distilleries and liquor shops!  -

Aus diesem Grund werde ich in meinen nächsten Beiträgen vermehrt auf deutsche Produktionen eingehen. Es wird nicht immer um Whisky gehen sondern auch um andere Brände und Liköre. Ich werde euch vier verschiedene Köstlichkeiten von deutschen Brennereien vorstellen.

Teil 1 - Die Grüne Walnuss - Ein Likör der Sächsischen Spirituosenmanufaktur

Der Grüne Walnuss Likör ist aus grünen, unreifen Walnüssen hergestellt, welche in hochprozentigen Alkohol eingelegt werden. Er kommt mit 38-40 vol.-% in die Flasche, ist also ein Likör mit ordentlich Prozenten. Solche Liköre sind in mehreren Orten Europas traditionell verbreitet. Als Nocino wird er in Süditalien angeboten. Aber auch in der Schweiz und in Frankreich stellt man ihn seit Gernationen her und kennt ihn unter den Namen Vin de Noir (Schwarzer Wein) mit etwas weniger Prozenten. Alte Schriften sollen außerdem belegen, dass seine Wurzeln in Großbritanien liegen. Im Prinzip ähnlich wie beim Whisky oder auch dem Absinth. Jeder will es erfunden haben. Da die Menschheit aber ein recht reiselustiges Völkchen ist und immer war, bleibt die Wahrheit wohl irgendwo im Verborgenen.

Auch in Deutschland stellt man bereits lange Zeit hochprozentigen Alkohol her und da Walnüsse auch bei uns gut gedeihen, war es nur eine Frage der Zeit bis die ersten dieser Nüsse, ob reif oder nicht, auch bei uns im Schnaps landen. Die Besonderheit bei diesem Likör: es werden ausschließlich die grünen Walnüsse eingelegt.

Bild von Willfried Wende auf Pixabay
Abbildung 1: Grüne, unreife Früchte der Walnuss.

Der Prozess des Einlegens und des Reifens nennt sich Mazeration (von lateinisch macerare - zermürben) und bezeichnet in der Biologie das Aufweichen von pflanzlichen Zellen. Die unreifen, grünen Walnüsse werden in hochprozentigen Alkohol eingelegt. Durch den hohen Alkoholgehalt platzen die Pflanzenzellen auf und es können sich verschiedene Substanzen aus dem Pflanzenmaterial lösen. Eine dieser Substanzen ist Chlorophyll. Der grüne Stoff, welcher für die Photosynthese verantwortlich ist. Aber auch andere Stoffe. Verschiedene Aromen, Säuren, Fette und Extraktstoffe gehen aus der Nuss und ihrer Schale in die Flüssigkeit über. So auch der nach der Walnuss (botanisch Juglans regia) benannte Stoff Juglon, oder nach strenger chemischer Nomenklatur: 5-Hydroxy-1,4-naphthochinon. Von der Nuss selbst wird Hydrojuglon gebildet, welches erst zu Juglon oxidiert. Dieser Stoff ist in Reinform ein gelb, braunes Pulver. Durch Alterung kommt es zur Vernetzung mehrerer Juglon Moleküle, wodurch sich die Farbe in ein immer dunkleres Braun bis schwarz verändert. [1]

Abbildung 2: Strukturformel des Juglons.

Juglon ist in allen Pflanzenteilen der Walnuss enthalten. Die größte Konzentration findet sich jedoch in Blättern und in den grünen Hüllen der Früchte. Im Herbst sieht man oft Pechschwarze Walnussblätter und Fruchthüllen zu Fuße von Walnussbäumen. Diese Farbe ist nicht durch eine Krankheit hervorgerufen, sondern wird durch das Juglon verursacht. Früher wurden Extrakte der Walnussblätter zum Färben von Stoffen und Seilen verwendet. Aber auch im Holz befindet sich Juglon. Würde man ein Fass aus Walnussholz bauen, würde sich der darin befindliche Alkohol recht schnell rot bis braun färben, ganz ohne Vorbelegung. Um dies zu verdeutlichen ist in der folgenden Abbildung ein 65%iger Alkohol zu sehen in dem für 3 Monate ein Stück getrocknetes Walnussholz, welches widerum für 2 Monate in einem 10%igen (farblosen) Alkohol eingelegt war, zu sehen. Trotzdessen, dass sehr viel Farbe schon im 10%igen Alkohol herausgelöst wurde, konnte das Holz auch den 65%igen Alkohol im Anschluss noch deutlich rot-braun färben. Er hat außerdem ein deutlich nussig und holziges Aroma erhalten.


Abbildung 3: Walnussholz-Extrakt (65 %iger Ethanol). 

Abbildung 4: Walnussholz-Sticks (geröstet, nach dem Einlegen).


In der Pflanze erfüllt Juglon einen ganz bestimmten Zweck. Zum Einen wirkt dieser Stoff fungizid und insektizid und schützt den Baum somit vor dem Befall von Pilzen und vor Fraßschäden durch Insekten. Außerdem besitzt es eine allelopatische Wirkung. Zu deutsch: Es hemmt die Keimung und Wurzelbildung. Verschiedene Studien konnten dies bestätigen. Giest man beispielsweise keimende Grassamen mit einem Walnussblatt-Extrakt, sieht man eine deutliche Hemmwirkung. Die Keimlinge wachsen wesentlich langsamer als eine Referenzgruppe, welche mit reinem Wasser gegossen wurde. Ursache ist die Hemmung von verschiedenen Pflanzenhormonen wie Gibberllinsäure und Zytokinin. Fallen die Früchte und Blätter nun im Herbst zu Boden, wird das Juglon in den Boden gespült, wodurch das Wurzelwachstum von Wasser- und Nährstoffkonkurrenten des Walnussbaums behindert wird.[1] Der Baum verschafft sich somit aktiv einen Vorteil gegenüber anderen Pflanzen.

Zum Likör:

Die sächsische Spirituosenmanufaktur befindet sich im sächsischen Kirschau. Ein Aushängeschild der Brennerei ist die Regionalität und Naturbelassenheit. Die Rohstoffe kommen überwiegend aus der Region, von sächsischen Bauern und Streuobstwiesen bezogen und teilweise wird sogar selbst angebaut. Für holzgelagerte Spirituosen wird mit sächsischen Küfereien und Winzern gearbeitet. Die Produktpalette der sächsischen Spirituosenmanufaktur reicht von verschiedenen Bränden, über Liköre und Geiste bis hin zu Whisky.[2]

Die Liköre werden aus dem hauseigenem Kornbrand hergestellt und stets natürlich belassen. Das heißt es kommen keinerlei Zusatzstoffe wie Schönungmittel oder Aromen hinzu. Außerdem sind die Liköre un- bzw. nur grob filtriert. Destillateur Martin Wagner trifft man regelmäßig auf Messen. Seine Produkte werden unter anderem auch im Dresdner Whisky und Genuss-Laden verkauft und von ihm wurde auch der Dresden Old-Town Whisky gebrannt, welcher zum 5 jährigen Bestehen des Whisky und Genuss-Ladens abgefüllt wurde und letztes Jahr zur Geburtstagsfeier des Ladens präsentiert wurde.

Der Grüne Walnuss-Likör, welchen ich verkoste hat 38,5 vol.-% und wurde im Oktober 2018 abgefüllt. Auf jeder Flasche ich außerdem eine Chargen-Nummer angegeben sowie die Unterschrift des Destillateurs. Je nach Batch variiert der Alkohol-Gehalt des Likörs etwas und liegt zwischen 40 und 38 vol.-%.

Abbildung 5: Der Grüne Walnuss-Likör.

Die Farbe des Likörs ist, anders als der Name vermuten lässt nicht grün, sondern tief dunkelbraun bis schwarz, verursacht durch das Juglon. Er hat eine ölige, leicht viskose Konsistenz.

In der Nase ist vorallem die Walnuss im Vordergrund und außerdem Honig. Der Geruch weckt in mir Erinnerungen an ein Frühstück in der Türkei mit in Honig eingelegten Walnüssen. Im Hintergrund lassen sich noch Aromen von mediteranen Kräutern, wie Lavendel und Rosmarin finden. Der Alkohol ist hier super eingebunden und kommt in der Nase gar nicht zur Geltung.

Im Mund dann sofort wieder die honigsüße Nuss. Dazu eine leichte Bitterkeit, welche typisch für die grünen Walnüsse ist. Aber er ist auch überraschend frisch und fruchtig, das hätte die Nase nicht vermuten lassen. Der Likör ist sehr komplex und je länger er im Glas ist, desto aromatischer wird er. Im Abgang bleibt dann recht lang die nussige Bitterkeit der jungen, grünen Walnuss und an den Lippen bleibt ein leichtes Kleben von der Süße zurück. Der Alkohol ist auch hier nur sehr schwach zu spüren, er wird durch Süße gut überlagert.

Fazit:
Ich habe schon recht viele verschiedene Liköre aus grünen Walnüssen probiert und auch bereits selbst welchen angesetzt. Aber keiner hat mir bisher so zugesagt wie dieser von der sächsischen Sprituosenmanufaktur. Herrlich! Er ist nicht zu süß aber auch nicht zu bitter und dazu diese herrliche Aromenvielfalt. Sehr gelungen! Ein Glas ist auf jedenfall zu wenig!

Außerdem von dieser Brennerei sehr zu empfehlen: Der Champagnerroggen-Brand.Ein (Bio-)Roggen-Kornbrand, welcher für ein Jahr im Eschenholzfass lagert. Aus Erfahrung kann ich sagen: Köstlich!

"Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei." Paracelsus, 1538

Zurück zur Chemie, wie viele fungizide Verbindungen aus der Pflanzenwelt, ist auch das Juglon aus der Walnuss nicht ausnahmslos Gesund für den menschlichen Körper. Es konnte in Tierversuchen gezeigt werden, dass diese Substanz mutagen wirkt.[2] Nun, wie sagte aber bereits Paracelsus sinngemäß: "Die Dosis macht das Gift". Bevor man an einer Wirkung des Juglons an Krebs erkrankt, ist man mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits an Leberversagen gestorben.
Ein anderes gutes Beispiel zum Thema gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe: Phenol und seine verschiedenen Derivate gelten ebenfalls als sehr giftig und z.B. als krebserregend. Dennoch trinken wir alle gernen einen rauchigen Whisky und mit Blick auf die aktuellen Whisky Neuerscheinungen vor allem aus Islay gilt auch hier die Devise: Je mehr ppm Phenol im Malz, desto besser!

Frohe Ostern und bleibt gesund!

Whisky & Molecules




Referenzen:

[1] Duroux, L. et al (1998). Insight into naphthoquinone metabolism: β-glucosidase-catalysed hydrolysis of hydrojuglone β-D-glucopyranoside. Biochemical Journal, 333(2), 275-283.
[2] https://www.saechsische-spirituosenmanufaktur.de/
[3] Chen, L. J., Lebetkin, E. H., & Burka, L. T. (2005). Metabolism and disposition of juglone in male F344 rats. Xenobiotica, 35(10-11), 1019-1034.